Das Orchestre des Régions des Européennes ist für Überraschungen gut – begeisterndes Konzert

Allzu häufig ist das nicht, dass ein komplettes Symphonieorchester in Pfreimd ein Konzert gibt und für sein fulminantes Musizieren noch nicht einmal ein Honorar verlangt. Eine gute Oberpfälzer Aktion, dem Orchester das dringend benötigte Probenquartier anzubieten. Ihre Konzertdarbietung war sehens- und hörenswert.

Ein Augenschmaus das Engagement der jungen Musikerinnen und Musiker: beim konzentrierten Spiel! Schon das “Concert pour petit orchestre” op. 34 von Albert Roussel erwies exakten Zusammenklang sowohl der Streicher als auch der ablösenden Bläser selbst in schnellen Figurationen. Im langsamen Satz konnten die Musiker die Spannung auch bei getragenen Melodienbögen halten. So sichtbar die Konzentration, so aber die Töne – im tänzerischen Finale ebenso wie in den vorangegangenen Sätzen.

Das “Siegfried-Idyll” von Richard Wagner folgte. Einige Themen aus “Siegfried” sind vom Komponisten zu einer stimmungsvollen Fantasie zusammengeführt worden, deren beruhigender Charakter zu Recht als Idylle bezeichnet werden kann. Konrad von Abel verweigert sich auch in den musikalischen Steigerungen konsequent einem unruhig beschleunigenden Tempo, das den angesagten Charakter des Musikstückes verfremdet hätte.

Nach der Pause die 2. Symphonie D-Dur op. 36 von Ludwig van Beethoven. Schon der schwerblütigen Einleitung tat der französische Schwung, mit der sie musiziert wurde, sehr gut. Die Gestaltung des schnellen Satzteiles war erst wegen der frischen Musizierweise zu loben, dann wegen des gewählten Tempos, das etliche, sonst kaum hörbare Feinheiten entdeckte. Darüberhinaus zeigte das Hervorheben mancher Mittelstimme überraschende Klangbilder außerhalb des gewohnten Klischees. Die relativ kleine Besetzung bewirkte schließlich eine Durchsichtigkeit (das Hauptthema des Satzes wurde von drei Cellis vorgetragen!), die bei großen Orchestern zuweilen verloren geht. Ebenso zeigte sich, dass es im Fortissimo nicht auf die pure Zahl der Spieler, sondern auf die Intensität des Spiels ankommt. Das berühmte Larghetto erlangte in solch einem Spiel einen ganz besonderen Reiz: Es klebte nicht an Bedeutungsschwere fest, sondern wuchs in dem etwas zügigerem Tempo in eine selten zu hörende Dramatik hinein, die vom Orchester bewußt intensiv gestaltet wurde. Eine solch innovative Aufführung von einem wenig bekannten Orchester nicht in einem der großen Musikzentren zu hören – das war nun wirklich nicht zu erwarten gewesen.

Das luftige Scherzo setzte diesen Eindruck fort: Die im Forte zu spielenden punktierten Halben waren bereit, die dazwischen zu spielenden Viertel aber locker und leicht vorzutragen. In einem solchen Kontrast wirkte der Satz denn aber eher freundlich (vor allem im Trio), als schicksalsschwer, woran man bei Beethoven allzu gerne denkt.

Das Finale wurde mustergültig in einem gottlob nicht zu schnellen Tempo vorgetragen. Dafür bekamen die Zuhörer all die Feinheiten des musikalischen Einfallsreichtums von Beethoven zu hören, die bei mancher sonst üblichen Musizierweise im Geschwindigkeitsrausch untergehen.

Der berechtigt große Beifall könnte vielleicht die Musiker und ihren famosen Dirigenten dazu bewegen, wieder einmal in der Oberpfalz vorbeizuschauen.

DER NEUE TAG, Reinhold Tietz, 3. März 2005